Serenadenkonzert der Extraklasse im Klostergarten
Zum achten Mal gab sich die Heppenheimer Stadtkapelle zum Serenadenkonzert im Garten des Heppenheimer St. Vinzenz-Klosters ein Stelldichein und begeisterte die gut 600 Zuschauer und Zuhörer. Foto: Franz Müller
Heppenheim. Zwar steht das Pfingstfest noch bevor, aber treffender hätte Johann Wolfgang Goethe den Auftakt zum diesjährigen Serenadenkonzert im Heppenheimer Kloster St. Vinzenz nicht beschreiben können als im ersten Kapitel seines „Reinecke Fuchs: „Pfingsten, das liebliche Fest, war gekommen! es grünten und blühten Feld und Wald; auf Hügeln und Höhn, in Büschen und Hecken übten ein fröhliches Lied die neuermunterten Vögel; jede Wiese sprosste von Blumen in duftenden Gründen, festlich heiter glänzte der Himmel und farbig die Erde.“
Die Vorfreude auf das Konzert war auf beiden Seiten groß: Bei den Schwestern des Klosters St. Vinzenz als herzliche Gastgeber und bei der Stadtkapelle Heppenheim als motivierte Unterhalter. Profiteure des zum achten Mal sehr freundschaftlichen Miteinanders waren die rund 600 Zuhörer. Sie erlebten musikalische Schmankerl unter freiem Himmel in einem blühenden Garten umgeben von den historischen Mauern des Klosters. Eigentlich hätte es schon die zehnte Auflage sein können, wäre nicht Corona dazwischen gekommen.
Dass die Stadtkapelle mit dem Serenadenkonzert wieder einen Volltreffer landet, war allen klar, die diese musikalischen Botschafter Heppenheims jemals gehört haben. Musik, Atmosphäre und Ambiente im Klostergarten, die freundlichen Gastgeberinnen und das inspirierte Orchester sorgten für einen vollen Erfolg. Die Stadtkapelle bereitete sich seit Wochen auf den Auftritt vor. Dirigent Wilco Grootenboer, seit 15 Jahren Chef und spiritus rector, hatte bereits ein anspruchsvolles Programm zusammengestellt und dabei einen intensiven Blick in den Notenschrank geworfen. Gefunden hat er unter anderem die „Annen Polka“ von Johann Strauss, Sohn, „My Fair Lady“ von Frederick Loewe aus dem gleichnamigen Film von 1964 stammt.
Mal fetzig, furios und flott, dann feinsinnig und einfühlsam: Die Stadtkapelle Heppenheim zog souverän alle Register und traf den Nerv des Publikums im Klostergarten. Mit Wilco Grootenboer verfügt das Ensemble über einen versierten Steuermann, der selbst kontrastreiche und raffinierte Arrangements zauberte. Wahrlich ein ästhetischer Hochgenuss bei einem anspruchsvollen Repertoire. Beispielsweise beim „Concerto D’Amore“, komponiert vom Niederländer Jacob de Haan. Hier verbindet sich Barock, Pop und Jazz in drei verschiedene Epochen beziehungsweise Stilrichtungen. Die würdevolle Einleitung klang wie eine barocke Ouvertüre. Es folgte ein energischer Abschnitt im Pop-Stil, der in einem charaktervollen Adagio auslief. Ein Motiv daraus wandelte sich zu einer Swing-Passage, worauf das Werk mit der Wiederkehr des Adagio-Teils in abgewandelter Form endete. Klasse!
Oder das lyrische Stück „Yellow Mountains“, ebenfalls vom zeitgenössischen holländischen Komponist Jakob de Haan, das er 1997 schrieb, von einem Herbstaufenthalt in den Schweizer Bergen inspiriert. Die Stadtkapelle Heppenheim setzte diese musikalische Lyrik perfekt um.
Das Ensemble wusste eine Atmosphäre zu zeichnen, die einerseits in temperamentvoller Dynamik durch die teils auch recht düsteren Klaviaturen raste und genauso souverän mit dem geheimnisvollen, zartbesaiteten Zauber des Leisen und Fragilen überraschte. Obwohl dem Orchester - neben dem Schlagzeug - ausschließlich das Format von Blasinstrumenten zur Verfügung steht. Wilco Grootenboer ließ Klangfarben gekonnt zu einer Einheit verschmelzen. Auf derart spektakulären und kontrastreichen Tableaus bewegten sich die Musiker offensichtlich gern. In spannenden Arrangements füllten sie souverän die kreativen Spielräume aus. Ob es sich dabei um einen kleinen Querschnitt aus dem Ouevre von Simon an Garfunkel“ handelte oder den Ohrwurm, der „Tiger“ Tom Jones zu Weltruhm verhalf, nämlich „It‘s not unusual“. Das Ensemble schlug souverän und raffiniert den Bogen von einem dynamischen Strudel in eine schmeichelhafte, melodiöse Gefälligkeit.
„Kapellen“ und Blasorchester werden landläufig gern mit den Genres Marsch und Polka in Verbindung gebracht. Die Stadtkapelle trat in dieser Hinsicht erfolgreich einen Gegenbeweis an. Sie griff zwar auch zu den Instrumenten, um einen Marsch zu inszenieren, setzte aber die „Szegediner Polka“ von Vlad Kabec als eine der Zugaben phantastisch um.
Bert Appermont ist vor allem für seine Originalwerke für Blasorchester bekannt. Mit „Coldplay in Symphony“ kombiniert er seinen filmischen und sinfonischen Kompositionsstil mit den genialen melodischen Elementen der größten Hits von Coldplay: „Viva La Vida“, „Sky Full of Stars“, „Clocks“ und „The Scientist“. Coldplay mit einer sinfonischen Note. Und das war zu hören im Klostergarten. Brillant!
Ein weiterer Höhepunkt war „Nessaja“, einst von Peter Maffay erfunden, vielfach gecovert, unter anderem von Helene Fischer. Oder zum Abschluss des Programms „O Vitinho“. Er ist nicht nur einer der schönsten Märsche aus Portugal aus der Feder von Francisco Marques Neto, mit ihm wird vielmehr ein neuer Marschtypus nach Mitteleuropa gebracht, wie er bislang hier unbekannt war. Voller Melodien und ohne jegliche Aggressivität stand er so für die beschwingte Heiterkeit Portugals.
Für die Gäste war natürlich mit Getränken und Speisen bestens gesorgt. Der Musikgenuss war kostenlos. Jedoch wurde die Begeisterung des Publikums später in den prall gefüllten Spendenkörbchen deutlich. Der lang anhaltende Schlussapplaus, auch nach den Zugaben, galt zum einen der Heppenheimer Stadtkapelle mit ihrem Dirigenten Wilco Grootenboer, der Moderatorin Melanie Schmitt, die souverän durch das Programm führte, aber auch und gerade der Generaloberin des Vinzenzklosters Schwester Brigitta Buchler, die zum achten Mal Gastgeberin war.